Windhuk – Atlantik – Kaokoveld                                                                      Epupafalls 22.9.15

Die ersten zwei Wochen haben wir schon hinter uns. Das erste WLAN finden wir im äußersten Nordwesten von Namibia, am Kuene, dem Grenzfluss zu Angola. Nach kargen, beeindruckenden Landschaften landen wir hier plötzlich im grünen Paradies. Sitzen am grünlich, frisch sprudelnden Kuene und schauen auf Angola.


             Mein Auto                      –              Mein Haus                     –          Meine Einbauküche


Der erste Tag war von Fahrzeugübergabe mit zweistündiger Einweisung und Einkaufen geprägt. Zwei volle Einkaufswagen galt es in unserer Küche zu verstauen. Glücklicherweise überschreitet die Tiefe der zwei Schubladen unseres Land Cruisers die von IKEA-Küchen um ein vielfaches.

Von Windhuk ging es am nächsten Tag in Richtung Nordwesten zum Atlantik. Beim ersten Zwischenstopp auf der Ameib Ranch überraschte uns, dass wir trotz Hochsaison die einzigen Campinggäste waren. Der junge Besitzer meinte, dass in dieser Saison die Touristen aufgrund der Ebola-Epidemie in Westafrika ausgeblieben sind.

Verrückt, dabei liegen Portugal und Spanien viel dichter an Liberia und Nigeria als das gesamte südliche Afrika.

Am nächsten Tag fuhren wir über Hentiies Bay, wo wir tankten und unsere Vorräte ergänzten, auf der salt road nach Norden. Auf der linken Seite begleitete uns die Brandung des kühlen Atlantiks. Bei Cape Cross besuchten wir artig wie jeder Touri die Seelöwenkolonie. Als wir die Autotür öffneten, schlug uns der „Duft“ von tausenden Tieren entgegen. Drollig die kleinen Heuler zu sehen, interessant wie Seelöwen sich in die heftige Brandung warfen und wieder auf die Felsen gelangten, aber das alles zusammen übertraf nicht den Gestank! Zügig schob es uns ins Auto und weiter nach Norden.

Country roads take me home…

Schließlich verließen wir die angenehm zu fahrende salt road und bogen nach Nordosten auf eine gravelroad ab. Dieses sind meist Wellblechpisten, die den Wagen besser durchschütteln als jede asiatische Schütteltherapie.

Nach eineinhalb Stunden ging die Wellblechpiste in einem steinigen Pfad über, dem wir im Schrittempo vier Kilometer zum Ugab Base Camp folgten. Der Campingplatz liegt in einem Trockenflusstal, durch das die Wüstenelefanten und Löwen ziehen. Leider oder zum Glück waren vor allem letztere gerade nicht vor Ort, was den Schlaf ruhiger machte.

Der namibianische Sigmar Gabriel

Am übernächsten Tag ging unserem linken Hinterreifen kurz vorm Ziel die Luft aus. Wir haben zwar zwei Ersatzreifen, da wir aber in die einsame, minimal bewohnte Kaokoveld-Region fahren wollen, brauchen wir auch den zweiten Reservereifen zur Sicherheit. Folglich mussten wir umdisponieren und statt weiter nach Norden nun 120 Km nach Osten zum nächsten Reifenhändler fahren. In Kamanjab verbrachten wir die Nacht in einem Camp, das von einer Gelsenkirchnerin betrieben wird. Auch hier waren wir zunächst die einzigen Gäste. Schließlich kamen noch eine Frau und ein Mann in einem normalen Allradfahrzeug. Wie sich zeigte, war das die Vorhut vom namibianischen Vizepräsidenten also quasi dem Sigmar Gabriel von Nambia(!), der gerade eine Tour durch den Nordwesten macht und morgen hier übernachtet.

Man stelle sich mal vor, wie groß die Sicherheitsvorkehrungen in Deutschland wären, wenn Sigmar Gabriel hier her käme. Wahrscheinlich wären unsere Personalien unter Obhut bewaffneter Sicherheitskräfte durchgecheckt worden, falls wir nicht ganz des Ortes verwiesen worden wären.

This is Africa!

Mit neuem Ersatzreifen fuhren wir die 120 Km nach Palmwag zurück. Als wir auf unsere Campsite einbogen, stand uns ein Elefantenbulle gegenüber. Zwischen uns und ihm sein Mittagstisch: ein 80 Meter breiter Schilfgrasstreifen.

Believe us: it wasn´t Sigmar Gabriel!


Shadow on the wall

Nachts wachten wir auf, als ein Tier neben uns Zweige und Blätter abriss. Trotz Taschenlampe konnten wir nichts sehen, da der Vegetarier auf der anderen Seite des Busches stand. Eine knappe dreiviertel Stunde stromerte das Tier auf unserer und der benachbarten campsite umher. Gelegentlich scharrte es. Wir waren uns unsicher, ob ein Oryx, Kudu oder Elefant war. Als schließlich sich die Zeltwand wie bei einer Sonnenfinsternis verdunkelte, war klar, das Tier hat Konfektionsgröße XXXL. Durch das Moskitonetz sahen wir schemenhaft den Elefanten fünf Meter neben unserem Wagen Zweige verköstigen. Wir schauten interessiert zu und waren entgegen aller Erwartungen nicht nervös. Es schien, als gäbe es ein non-verbales Agreement zwischen Dumbo und uns. Lasst ihr mich in Ruhe essen, dann lass ich euch eure Nachtruhe.

Diese friedvolle Co-Existenz setzte sich am nächsten Morgen fort, als wir unser Müsli und Dumbo in 80 Meter Entfernung sein Schilfgras mümmelte.

Die Entdeckung der Langsamkeit

Von Palmwag ging es dann weiter Richtung Norden ins Kaokoveld. In den nächsten Tagen fuhren wir durch weite, karge Täler, die Mondlandschaften ähnelten. Mal in Braun, dann Grau, Beige oder Schwarz. Zwischendrin sandige Streckenabschnitte in gelb oder rot. Häufig mussten wir die Trockenflussbetten durchqueren. Von Purros fuhren wir zunächst durch das Huarsib-Tal mit seinem weißsandigen Flussbett und grünen Bäumen, dann über einen rustikalen Pass in das Khumib-Tal, wo wir uns im Flussbett eine Stelle zum Übernachten suchten. Für die 60 km benötigten wir 3,5 Stunden.


Uns beeindruckten die Weite, die wechselnden Farben und die absolute Einsamkeit. Beruhigend, dass wir mit unserem Land Cruiser, den man auch Bushtaxi oder das Arbeitstier von Afrika nennt, ein zuverlässiges Gefährt haben. Nicht schnell, nicht sparsam, ein rustikaler 4.2 L Saugdiesel mit hohem Drehmoment, was sich auf den schwierigen Passagen auszahlt und im Gegensatz zum Landrover gilt er als nicht anfällig für kleine Wehwehchen. Neben dem Sprit- steigt auch unser Reifenverbrauch im Kaokoveld. In Purros war morgens aus dem rechten Hinterreifen die Luft raus. Also Reifenwechsel vorm Frühstück. Den defekten Reifen habe ich mit unserem Kompressor aufgepumpt und schließlich das Loch gefunden. Der freundliche Südafrikaner von der Nachbar-campsite kam rüber und in zwei Minuten hatten wir mit dem Repair-Kit das Loch geflickt. Die deutsche Straßenverkehrsordnung erlaubt solche Reifen nicht, aber sie würde auch die hiesigen pads und trails nicht als offizielle Wege akzeptieren. Die Hilfsbereitschaft insbesondere unter den Touristen ist groß; wenn einer eine Panne hat, hält man an und fragt, ob man helfen kann. Schließlich gibt es keinen ADAC und es kommt selten jemand vorbei.


Auf der anderen Seite gibt es diejenigen, die in Orten oder Tankstellen einen freundlich ansprechen, sich vorstellen, nach unseren Namen fragen und diesen, während wir im Lebensmittelladen verschwinden, in eine Nuss ritzen, die man als Schlüsselanhänger benutzen kann. Empfehlenswert fürs Geschäft wäre allerdings, den Namen richtig zu verstehen und nicht versuchen Ruth einen Schlüsselanhänger mit der Aufschrift „Gudrun“ anzudrehen. Auch werden wir gelegentlich um eine Spende für einen Fussballclub, eine Einrichtung oder ein Museum gebeten. Zum Beweis wird ein Heft vorgelegt, in dem die Namen und Beiträge von anderen Spendern aufgezeichnet sind. Die coolste Nummer brachte ein Typ, der im blauen Overall mit gelber Warnweste und rotem Fähnchen wie ein Bauarbeiter aussah, und uns auf offener Straße anhielt und darüber informierte, dass in 30 Kilometer ein Flussbett kommt, bei dem wir uns beim Durchqueren rechts halten sollten. Daraufhin zückte er sein Heft und wollte Unterstützung für seinen Fussballclub. Das Flussbett haben wir nicht zu sehen bekommen.

Für zwei Nächte machen wir Halt in Etambura, einem von Himba geführten Camp mit fünf Chalets für Selbstversorger und einem Gemeinschaftshaus auf einem Bergrücken.

Seit vier Jahren hat es in dieser Gegend nicht mehr geregnet. Um so überraschter sind wir, dass es immer noch einzelne grüne Bäume gibt. Wir genießen den Rundumblick und die staubfreie Umgebung, da unsere Gepäck, der Kofferraum und das Wageninnere dauerhaft mit feinem Sand bepulvert sind.


Europe meets Himba

Im Kaokoveld leben die Himbas, ein halbnomadisches Volk, das von Ziegen- und Rinderzucht lebt. Markant ist, dass sie sowohl Haut als auch Haare mit einer Paste bestehend aus Butter, zerstossenem Gestein und Kräutern einreiben. Dieses schützt vor Sonne, Flüssigkeitsverlust und Kälte. Die Paste der Frauen ist rot und die der Männer ist schwarz. Die Frauen tragen lediglich Röcke aus Kuh- oder Ziegenfell. Für unsere europäischen Augen ist es schon gewöhnungsbedürftig, wenn man im Supermarkt den Einkaufswagen schiebt und eine junge, barbusige Himbafrau selbstbewusst durch den Gang einem entgegenkommt. Gänzlich aus den Fugen gerät das eurozentristische Weltbild, wenn die Dame an der Kasse mit ihrer Kreditkarte zahlt.

Zwei Tage verbringen wir im Camp Aussicht. Dieses wird von Marius, einem speziellen Kauz, geführt. Er neigt dazu Fragen zu stellen, um sie anschließend mit seiner eigenen anthropologisch-philosophischen Sichtweise selbst zu beantworten. Einige Dinge sehen wir wie er, andere seiner Positionen sind definitiv nicht unsere. Seit 29 Jahren lebt er hier und ist mit den Himbas und Hereros eng vertraut. Er spricht ihre Sprache, erledigt mit seinem Pickup Einkäufe für sie und hilft. Mit ihm besuchen wir ein Himbadorf. Bis auf zwei Männer sind nur Frauen und Kinder dort. Ca. 99 % der Jungen gehen in die Schule und nur 1% der Mädchen, obwohl es ein Matriachat ist. Aber wahrscheinlich sind die Männer eher abkömmlich als die Frauen. Die Schule liegt in 70 km Entfernung in Opuwu und hat eine sehr einfache Internatsunterbringung. Problematisch ist, dass viele junge Männer in den Städten bleiben und nicht mehr in die Dörfer zurückkommen.

Die Frauen sitzen auf dem Boden, kochen Maisbrei, bearbeiten Ziegenleder oder flechten und verlängern ihre Haare. Dazwischen wusseln Ziegen, Hühner und Hunde umher. Plastikreste, Papier und Müll liegen verteilt auf dem staubigen Boden. Kinder nehmen uns an die Hand und begleiten uns durchs Dorf. Marius spricht mit den Himbafrauen, übersetzt einzelne Fragen, die sie uns stellen. Das Rote Kreuz hat jeder Familie ein Toilettenhäuschen aus Wellblech hingestellt. Die Himba nutzen es als Lagerraum.

Mit Beginn der Pubertät werden den Frauen die vorderen unteren Schneidezähne von der eigenen Mutter ausgeschlagen. Man mutmaßt, dass dieses Ritual aus der Zeit des Sklavenhandels kommt, um die Frauen unattraktiv zu machen und vor dem Handel zu bewahren.

Schließlich fahren wir durch die Buschsavanne zu einem kleinen Hererodorf. Dort liefert Marius den gewünschten Einkauf (ein mechanischen Haarschneider und Maismehl) ab. Abschließend suchen wir ein weiteres Himbadorf aus. Dort ist nur ein ca. 15 jähriges Mädchen, dass auf vier Kinder aufpasst. Die restlichen Frauen sind zu einer Beerdigung gegangen. Dieses Dorf wirkt ein wenig sauberer.

Himbas sind laut Marius nicht arm. Einige haben bis zu 400 Rinder plus Ziegen. Ein Rind ist ca. 500 Euro wert. Wenn Geld benötigt wird, wird ein Rind verkauft.


Der Besuch bei den Himbas stimmt uns nachdenklich. Es stellen sich viele Fragen.

Generell sind wir Verfechter von Bildung. Wenn diese allerdings dazuführt, dass die jungen Menschen die Dörfer verlassen und sich der westlich geprägten Konsumkultur zuwenden, gefährdet das die Jahrhunderte alte Kultur der „Naturvölker“. Dass nebenbei gemerkt deren Ökobilanz bedeutend besser als unsere ist, ist unzweifelhaft.

Angesichts von hohen HIV-Raten ist Bildung und Aufklärung allerdings sehr wichtig.

Andererseits fragen wir uns, womit sich die Himbas gedanklich beschäftigen. Überwiegend verbringen sie den Tag sitzend und gehen den o.g. Tätigkeiten nach. Wie denken sie über ihr eigenes Leben und unsere Welt?

Ich muss zwischendrin an ein Buch denken, dass in den achtziger Jahren weit verbreitet war, darin beschreibt ein fiktiver Südsee-Häuptling mit seinem unvorbelasteten Blick wie er unsere westliche, überdrehte und gekünsteltes Streben wahrnimmt und hält uns einen externen Spiegel vor.

Oder wie Paul Watzlawik es formulierte: Jeder konstruiert sich seine eigene Wirklichkeit.

Ein afrikanisches Sprichwort sagt: Die Europäer haben die Uhr erfunden, die Afrikaner die Zeit.

 

Eines sind wir uns sicher: Die kulturelle Vielfalt wird uns auf der gesamten Reise immer wieder gedanklich beschäftigen.