Sydney – Scenic flight mit einem Vielflieger 

 

Im Flieger neben uns sitzt ein Australier, Ende 50. Er arbeitet für eine amerikanische Firma, die Gasbrenner herstellt. Heute war er in Auckland, die nächste Nacht verbringt er in seinem Haus in seiner Heimatstadt Sydney. Tagsdrauf am Samstag fliegt er nach Singapur, wo er arbeitet und mit seiner Frau und einer Tochter wohnt. Das Klima dort sei unerträglich, meint er. Montag geht es weiter zu einer Konferenz nach Barcelona und von dort ein paar Tages später nach Frankfurt. Ein Jahr mache er das noch und dann sei endlich Schluss mit der Vielfliegerei. Tauschen möchten wir nicht mit ihm – höchstens das Konto.

Und dann ist er überrascht: der Landeanflug auf Sydney erfolgt von Norden; das habe er noch nie erlebt und so umrunden wir in einem großen Bogen Sydney. Bei wolkenlosen Himmel sehen wir die Skyline mit Opera und Harbour Bridge von allen Seiten. Unser Aussie mutiert zum Reiseführer zeigt uns die Sehenswürdigkeiten und Stadtteile. Kurz vorm Aufsetzen kommt wieder der Vielflieger zum Vorschein, als er feststellt, dass wir auf dem äußeren Runway landen. Von dort brauchen wir 15 Minuten bis zum Terminal, meint er leicht genervt. Beim Aussteigen beschwert er sich leicht scherzhaft beim Steward, dass sie doch eine andere Landebahn hätten nehmen können. Der Steward antwortet gewitzt, dafür hast du den „scenic flight“ - den Stadtrundflug – gratis bekommen.    


Dieses Mal gibt es keine Wartezeit vor der immigration. Der Zöllner interessiert sich mehr für unsere Unterkunft und was wir für eine Nacht zahlen. Einen coolen Stadtteil, der gut liegt, hätten wir uns ausgesucht. Und so ist es auch. In einer ruhigen Seitenstraße von Erkenville ziehen wir bei Deborah und ihrer Tochter Dara ein. Ein gemütliches Stadthaus mit Garten. Deborah hat zehn Jahre in Laos in verschiedenen sozialen Projekten gearbeitet und macht nun das Fundraising für eine Organisation die junge Mütter unterstützt.  


Deborah versorgt uns mit Vorschlägen, was wir unternehmen könnten. Und so wandern wir am nächsten Tag von Coogee Beach über den Küstenwanderweg nordwärts. Steilküste mit versteckten Sandbuchten säumen den Pfad.  Wir betrachten das Treiben in einem Bowling-Club. Es handelt sich nicht um die amerikanische Variante, wie wir sie kennen, sondern es ähnelt Boulen, nur dass die Kugeln gekegelt werden, oder Curling auf Rasen.  

Zweihundert Meter weiter sind wir perplex. Deborah hatte uns berichtet, dass wir einen Friedhof  passieren würden. Diese Dimension haben wir nicht erwartet. Ein kompletter Hügel mit tausenden alten Gräbern senkt sich zum Meer hinab. Eine Traumlage. Würde uns jemand ein Foto zeigen, würden wir nie auf Sydney tippen, sondern eher auf Italien.



Chilliges Nebeneinander am Beach

 

Am Bronte Beach machen wir eine längere Pause. Ich werfe mich in die Fluten und lasse mich wie meine Mitschwimmer von plötzlich überraschend hoch auftürmenden Wellen zurückspülen. Lange beobachten wir die Surfer. Als ein Beginnerkurs mit Surfskis (eine schnelle, aber auch wackelige Kajakvariante) sich in die Fluten wirft, bewundern wir deren Ausdauer. Diverse Male kentern sie und klettern immer wieder in die Boote.

Uns gefällt dieses entspannte Miteinander der Surfer, Schwimmer und Kajakfahrern. 

Schließlich erreichen wir den berühmten Bondi Beach. Er kann nicht mit dem Flair und Schönheit der anderen Strände mithalten. Autos reihen sich hinter ihm, die Promenade wirkt unpersönlich, aber hier zu sein, gilt als cool. 


Auf touristischen Hauptstraßen

 

Sydney Aufenthalt ohne Besuch der Hauptattraktionen geht natürlich gar nicht, aber wir fassen es kurz: Besuch des Sunday market in The Rocks, Fährterminal, Kaffeepause, Walk over the Harbour Bridge und Rückfahrt mit Fähre, Selfie vor der Opera, Füße hochlegen.

 


Odyssee im Nahverkehr oder eins der besten Desinformationssysteme der Welt 

 

Sydney hat ein ausgeklügeltes Bahn-, Bus- und Fährsystem. Wie bei einer Schnitzeljagd folgen wir auch manchen Irrwegen. Denn einer Schnitzeljagd ähnelt die Suche nach Informationen. In den Bahnen sind diese noch ausreichend. Es gibt es keinen Hinweis, in welcher Linie man gerade sitzt, aber immerhin wird die nächste Haltestelle angekündigt. Eine Übersicht der Buslinien gibt es nicht. Viele Bushaltestellen  haben keinen Namensangabe. In den Bussen wird keine Station angezeigt oder angekündigt. Glücklich sind wir, da wir zweimal an der Endstation aussteigen müssen. Das ist einfach: Wenn man der Letzte im Bus ist, sollte man den anderen folgen. 

 

Unser Ziel ist ein Kajakverleih an der Split bridge. Also suchen wir uns online die Verbindung raus und ahnen nicht, dass wir in der nächsten Stunde wie Odysseus umherirren. Wir sollen bis zur Wynard Station fahren und dort am „stand G“  den 169er Bus nehmen. Die Bahnstation hat viele „stands“ - Abfahrtbereiche; alle  Buchstaben von A bis N, nur nicht G. Am Auskunftsschalter wird uns mitgeteilt,  dass G jetzt H sei. Also gehen wir zum stand H, nur dort fährt keine Linie 169 ab. Wieder zum Infoschalter; die Information lautet dieses Mal: Abfahrt an stand C. Dort stellen wir fest, dass der nächste Bus in knapp einer Stunde fährt. Erneut bei der Information erfahren wir, dass es eine andere Busverbindung gibt, die in ein paar Minuten startet. Den Busfahrer frage ich voran wir die Bushaltestelle an der Split bridge erkennen und zeige ihm die Bushaltestellenangabe auf meinem Smartphone.  Er atmet einmal kräftig aus, überlegt kurz und schaut auf seinen Fahrplan. In 18 Minuten, ist seine Antwort und so stoppen wir die Zeit. Nach 19 Minuten winkt er uns nach vorne und meint, dass dies unsere Haltestelle sei. Wir stehen an einer Kreuzung und sehen keine Brücke, lediglich das Haltestellenschild „Split junction“ und ich meine, dass kann es nicht sein. Ein anderer Fahrgast sagt, wir sollen  weiterfahren und zeigt uns die Haltestelle.  

Beruhigend finden wir, dass auch einheimische Fahrgäste häufig die Busfahrer fragen,  ob dieser Bus sie zu ihrem Ziel bringt.   

Ein dreifaches Hoch auf den HVV und das Melbourner Informationskonzept.


In Manley schauen wir mal wieder Surfern zu. Tagsdrauf erkunden wir mit dem Kajak einen Meeresarm des weitverzweigten Sydney harbour. Kristallklares  Wasser und grüne Hügel, auf denen viele Einzelhäuser stehen, flankieren unsere Bahnen. Die Umgebung und die von schönen Naturstränden unterbrochene Steilküsten haben wir nicht erwartet  und gefallen uns am Besten an Sydney. Was Freundlichkeit, Atmosphäre, Flair (und erwähnten öffentlichen Nahverkehr) betrifft, kann es unserer Meinung nicht mit Melbourne mithalten. 


Goodbye Südhalbkugel 

 

In acht Monaten haben wir  Australien über viele Stationen erreicht, nun geht es in 24 Stunden zurück nach Europa. Eigentlich entspricht dieses nicht unserem inzwischen angeeignetem Reisetempo.  

 

Ein wenig graut es uns vor der vertrauten Heimat. Das Fremde und Ferne hat uns fasziniert. Obwohl wir noch ein paar Monate Zeit bis zum Arbeitsbeginn haben, sind diverse Aufgaben und Anforderungen am innerlichen Horizont schon zu sehen. Allein die Stellensuche von Ruth wird das über Monate erlebte unbelastete Dasein im Hier und Jetzt einschränken.