Laos – Die Entdeckung der Entschleunigung

 

Laos ist anders; anders als seine Nachbarstaaten. Schon im Straßenverkehr fällt es auf. Selten wird gehupt, keine Raserei, Autos fahren artig hinter Mopeds her und überholen diese nicht gnadenlos.

Die französischen Kolonialisten beschrieben ihr Indochina folgendermaßen: Die Vietnamesen pflanzen Reis, die Kambodschaner schauen ihm beim Wachsen zu und die Laoten hören ihn wachsen.

Hektik ist rar. Die Athmosphäre wirkt friedlich und tiefenentspannt. Laoten merken gelegentlich an, dass zu viel Arbeit dem Gehirn schade und sie bedauern Menschen, die zu angestrengt denken.

Laos scheint der Zeit ein klein wenig hinterher zu hinken. Smartphone und Handy sind zwar weit verbreitet, doch annähernd überall stehen noch Röhrenfernseher. Selbst unser Zimmer verfügt über einen dieser Nostalgiekästen. Einen Citroen Traxion und ein paar alte Mercedesmodelle entdecken wir in den Straßen.

Luang Prabang – Entspannte Tage ist einer verzaubernden Stadt 

Eine Woche verbringen wir in Luang Prabang, dessen Altstadt mit seinen Klöstern, Tempeln und Kolonialbauten zum Weltkulturerbe gehört und zwischen dem Mekong und seinem Nebenfluss Nam Khan eingebettet ist. Unser Guesthouse liegt einen Katzensprung entfernt. Über eine Bambusbrücke sind wir in fünf Minuten in der Altstadt. Die Fußgängerbrücke überspannt den Nam Khan und wird mit Beginn der Regenzeit von einer Familie abgebaut und am Ende, wenn die Fluten gesunken sind, wieder aufgebaut. Für 50 ct dürfen wir sie hin und zurück passieren. Die Maut kassiert die Familie, die die Brücke auch in Stand hält.

Wir bummeln durch die Altstadt, besuchen viele Vat´s (= buddhistische Klöster). Wie auch schon in Myanmar und Thailand gehören Mönche zum Alltag und setzen mit ihren orangen oder bordeauxfarbenden Roben frische und zugleich friedvolle Akzente.

Während wir in einem Café sitzen, hören wir Trommeln vom gegenüber liegenden Klosterhof und gehen rüber. Fasziniert erleben wir wie fünf junge Mönche mit Schellen und Trommeln eine Jam-Session hinlegen. Es scheint keinen religiösen Hintergrund zu haben. Sie haben Spaß am Rhythmus, wechseln sich ab und nach 20 Minuten ist das Konzert beendet. Sie schnappen sich jeder einen Besen und fegen den Klosterhof.

Wir genießen ein weiteres Relikt der französischen Kolonialzeit: Die gemütlichen Straßencafe´s. Als die Franzosen Indochina 1954 verließen, vergaßen sie offensichtlich einige Flaschen Pastis sowie die Rezepte für Croissants und Baguettes. Geschmacklich kann keine deutsche Bäckereifilialkette mit den hiesigen Backprodukten mithalten.

 

 Die Mekonglandschaft mit den grünen Hügeln zwingt einem förmlich zu Ausflügen. Mit unserem Guide Ning fahren per Kajak den Nam Ou mit seinen kleinen Stromschnellen hinab. Männer angeln und Frauen fischen Seegras aus dem Fluss. Bald säumen Karstberge das Flusstal. An der Mündung in den Mekong befindet sich die zwei Pak-Ou-Höhlen. In der größeren befinden sich 4.000 Buddhastatuen. Zwischen vielen Felsen geht es auf dem Mekong abwärts, bis zu einem Dorf, wo Lao Lao (Reis-Whiskey) in großen Fässern hergestellt wird. Geschmacklich erinnert er an Grappa.


Geduldige Mönche treffen auf Touristen

Luang Prabang ist bekannt für das Tak Bat - wenn morgens die Mönche der über 30 Klöster durch die Stadt ziehen und Almosen in Form von Klebreisbällchen einsammeln, wie es überall im Land üblich ist. Viele ältere Einheimische buddhistischen Glaubens knien am Straßenrand und warten auf die Prozession. Den Mönchen Reis zu schenken ist ein religiöses Ritual. In der Altstadt säumen Touristen die Straße mit ihren Kameras, aber auch einige knien sich mit gekauften Reis zwischen die Einheimischen, um den Mönchen zu spenden. Eine zweifelhafte touristische Unart, die aber offensichtlich buddhistisch gelassen ertragen wird. An vielen Stellen in der Stadt werden die Besucher darüber aufgeklärt, wie sie sich bei dieser Prozession verhalten mögen. Von außen wirkt es, als ob es cool sei, als Tourist am Almosengeben teilzunehmen. Noch cooler, wenn den Verwandten und Freunden zuhause noch ein Foto von der Aktivität gezeigt werden kann. Von einem Fremdenführer erfahren wir, dass dieses Verhalten respektlos ist, wenn man nicht selbst buddhistischen Glaubens ist. Wer wirklich spenden will, soll mit Essensportionen auf einem Tablett um 11.00 Uhr zum Kloster gehen und den Novizen es geben.

Ich versuche mir die Situation in unseren Kulturkreis zu übersetzen: An einem Sonntagmorgen stürmt eine 50-köpfige asiatische Reisegruppe in den Gottesdienst, mit gezücktem Fotoapparaten wandeln sie durch die Kirchenreihen und den Altarraum, um abschließend begeistert am Abendmahl teilzunehmen. Cool, oder?!

 

Wir entscheiden uns dagegen, den Almosengang in der Altstadt zu beobachten. Unser Glück ist, dass in unserem Stadtteil mit dörflichen Flair Mönche ohne Touristengedränge durch die Dorfstraßen ziehen und wir sie dies mit gebührenden Ab- und Anstand beobachten, während wir aufs Frückstück warten.




Der Zauber des Nordens

China überflutet Südostasien mit seinen Produkten und Investitionen und nun auch noch Laos mit einer Kaltfront. Bei 13 Grad Höchsttemperatur entscheiden wir, unseren Aufenthalt in Luang Prabang um zwei Tage zu verlängern. Es ist nasskalt und in Laos gibt es keinen Heizungen. Wir hangeln uns von Café zu Café. Abends bevorzugen wir Restaurants mit Kohlenfeuer im Eimer. In einer kultigen Kneipe bietet die ungarische Besitzerin spontan Glühwein an. Wir schlagen zu.

 

Wir fahren weiter in den Norden. Unsere Hoffnung, dass wir in dem Minibus zwei warme Sitzplätze für vier Stunden ergattern können, zerschlagen sich schnell. Die Heizung ist defekt und damit die Frontscheibe nicht beschlägt, ist das Fahrerfenster halb geöffnet. Um maximalen Gewinn zu erwirtschaften, wird der Kofferraum geopfert und 15 Touristen werden eingepfercht. Das Gepäck türmt sich zwischen uns.

Unser Ziel Nong Khiaw liegt zwischen steilen Karstbergen, die beeindruckend sind, nur leider gerade von den Regenwolken versteckt werden. Wir gehen kurz durch den Ort und sind nass. In einem offenem Restaurant stehen Tische um eine halbierte amerikanische Streubombe, in der ein ordentliches Kohlenfeuer brennt. Wir verharren über fünf Stunden am Feuer. Ein belgischen Paar, ein Engländer, Anna, eine Französin mit der wir später noch einige Zeit gemeinsam reisen und ein Holländer bilden eine illustre Runde um das Feuer. Der Gastgeber schleppt einen großen Sack Kohle an und wir füttern das Feuer. Wer hätte je gedacht, dass amerikanische Bomben europäische Touristen um ein Feuer versammeln.

 Am nächsten Morgen geht es weiter nach Muang Noi, das nur mit dem Boot erreicht werden kann. Der Ort gruppiert sich um eine 500 Meter lange schlammige Straße, die von einem knuffigen Kloster im Norden und einem Karstfelsen im Süden, der wie ein mit Moos überwucherter Zahn über dem Örtchen wacht, eingequetscht wird. Dadurch, dass in der Regel der Hauptwohnraum zur Straße gerichtet und offen ist, gibt es kaum Privatsphäre. Diese stört die Einwohner aber nicht, die Straße ist der Mittelpunkt: viele Kinder sind unterwegs und spielen, es wird gekocht, manche waschen sich die Haare, Hühner, Gänse sowie Hunde laufen umher, gelegentlich eine Kuh oder ein Hängebauchschwein, die Erwachsenen sammeln sich um die kleinen Kohlenfeuer und es wird viel geredet und gelacht.

In dem Dorf Muang Noi, in dem wir drei Tage wohnen, betreibt eine Laotin mit einem Schweden ein Restaurant und sie vermieten ein paar Zimmer. Beide sind um die Dreißig. Ihr Kind im Alter von ungefähr vier Jahre fällt mit seinen blonden Locken zwischen den andern Kindern in der Straße auf.

In Luang Prabang mit seiner Infrastruktur und dem französischem Flair leben einige Ausländer. Manche Arbeiten auch in Laos für Non-goverment-Organisationen.

Aber wie groß muss die Liebe zu der Frau, zu Land und Landschaft und auch der Mut sein, dass man aus Europa mit all seinen Sicherheiten in ein kleines abgelegenes laotisches Dorf zieht und dort wie die anderen Bewohner von der Hand in den Mund lebt!

 

Das Paar bietet ein Frühstück an. Auf der Dorfstraße bauen sie täglich ein umfangreiches Frühstücksbuffet auf. Für nicht einmal drei Euro, darf man so viel Essen, wie man will. An unserem Abreisetag frühstücken wir uns auf ihrer Terrasse.

Der Schwede kniet gerade vor seinem Kind und ein Gast steht auf der Treppe zwei Stufen oberhalb von ihm. Den Anfang des Dialoges haben wir nicht mitbekommen. Der französiche Gast dürfte Anfang Sechzig sein. Sportliche Statur, wettergegerbtes Gesicht, das vermuten läßt, dass er viel in der Natur unterwegs ist; er trägt eine giftgrüne Outdoorjacke und modische blaue Trekkingschuhe und er will nicht fürs Frühstück zahlen. Das Gesicht des Schwedens spricht Bände, fassungslos blickt er zu dem Franzosen empor. Er sagt leise ein paar Worte, die wir nicht verstehen. Der Gast geht an ihm vorbei und sagt „may be I pay tomorrow.“ Eine halbe Stunde später sitzt er inclusive seines Gepäcks mit uns im Boot. Der Kapitän stellt fest, dass eine Person mehr an Bord ist, als Tickets gekauft wurden. Der Franzose outet sich. Dabei wissen alle Reisende seit der Anreise, dass man vorher ein Ticket am Schalter beim Anleger erwirbt.

Unglaublich und dreist: In einem Dritte-Weltland versucht ein begüterter Urlauber schamlos Dienstleistungen von der einheimischen Bevölkerung zu erschleichen.


Das Reich der Millionen Elefanten und Streubomben

In Laos leben auf der Fläche der der alten Bundesrepublik 7 Millionen Menschen.

Laos ist Multikulti. Wissenschaftler streiten über die Anzahl der ethnischen Gruppen. Zwischen 49 – 134 ethnische Gruppen gibt es. Vier große Sprachfamilien gibt es.

Früher wurde Laos auch das „Reich der Millionen Elefanten“ genannt. Wir sehen nur wenige Arbeitselefanten.

 Im Land ist neben dem Theravada-Buddhismus auch der Animismus verbreitet. Insbesondere in den Gebirgsregionen ist letzterer verbreitet. Der Animismus geht von der Beseeltheit der Natur aus. Diese Form des Doppelglaubens zeichnet Südostasien aus. Die Menschen folgen der buddhistischen Lehre und glauben an die Geisterwelt. Die meisten Familien haben einen kleinen Altar in ihrem Haus oder Garten, um die Geister gütig zustimmen. Täglich werden Räucherstäbchen, Reis, Bananen und Wasser als Opfergabe dargebracht.

Bis 1954 hatte Frankreich viel Macht in Vietnam, Kambodscha und Laos. Nachdem die französische Armee Vietnam unterlag, gab es schließlich seine Ansprüche auch in Laos während der Indochinakonferenz auf.

Obwohl Laos während des Vietnamkriegs neutral war und es keine offizielle Kriegserklärung der Vereinigten Staaten gab, führte der CIA geheime Operationen gegen die kommunistischen Pathet Lao aus. Die Vietcong nutzen Laos als Rückzugsgebiet und die Ho-Chi-Minh-Pfade der Vietcong verliefen teils durch Laos, Schätzungen gehen davon aus, dass das amerikanische Militär pro laotischen Einwohner 2,5 Tonnen Sprengsätze abgeworfen hat. In Muang Noi sehen wir einzelne der zahlreichen Höhlen, in denen die Pathet Lao und die Zivilbevölkerung tagsüber lebten, um den Flächenbombardements zu entgehen. Nachts bestellten die Reisbauern ihre Felder. Die Hülsen der Bomben sind überall zu sehen und werden zweckentfremdend eingesetzt, als Zaun oder als Grill, wie wir es an dem Regentag erlebt haben.


In Slowmotion den Mekong hinauf zum Goldenen Dreieck

Bei warmen Wetter geht es zurück nach Luang Prabang, wo wir erneut zwei Tage das laotisch-frankophile Flair genießen.

 

Dann geht es zwei Tage den Mekong flussaufwärts zum Goldenen Dreieck. Die Täler sind steil, mit Regenwälder bewachsen, der Fluss hat eine kräftige Strömung mit vielen Stromschnellen und vielen Felsen. Die Kapitäne kennen ihr Revier, Echolot oder Radar wurden hier noch nie gesehen. Morgens bedecken Wolken das Flusstal und es ist frisch. Im Laufe des Vormittags dringt die Sonne durch und langsam wird es warm. Im Laufe des Tages werden Sandbänke bei kleinen Dörfer angefahren. Entschleunigt schaukeln wir im Slowboat jeweils neun Stunden den Fluss empor und die Augen streichen entspannt über die Uferzonen. Ganz im Gegensatz zu anderen Touristen, die in kleinen, höllisch lauten Speedbooten geschützt mit Motorradhelm in sechs Stunden die gesamte Strecke zurücklegen. Zum einen ist es nicht ungefährlich, da es immer wieder durch Kollisionen mit Treibgut und Felsen zu Unfällen kommt und zum anderen entspricht dieses Reisegeschwindigkeit so gar nicht dem laotischen Way of life.

 

In Houay Xay wechseln wir auf die thailändische Seite. Leicht wehmütig blicken wir zurück.

Wir haben uns ein wenig in dieses bezaubernde Land verliebt.