Kapstadt – eine beeindruckende Stadt zwischen Bergen, Meer und townships

                                                         04.11.15


Aus dem trockenen Windhuk landen wir am Dienstagvormittag im grünen Kapstadt. Im Cheviots guesthouse mit seinen sechs Zimmern empfängt uns James. „Fühlt euch wie zuhause“ lautet seine Botschaft und das tun wir auch, wobei wir den Frühstückstisch nicht abräumen müssen. Seine Frau Brooke und er sind 1a Gastgeber. Schon bei der Ankunft fragt James, was wir machen wollen. Er gibt Tipps und macht Restaurantvorschläge, die uns zusagen. Schwupp – er hat einen Tisch reserviert oder günstig ein Auto organisiert.

Kurz nach unserer Ankunft nehmen wir die Seilbahn auf den Tafelberg. Eine phantastische Aussicht haben wir bei wolkenlosem Himmel von dem Plateau in 1085 m Höhe. Unter uns liegt die Stadt, links der Atlantik mit den Nobelvororten und ihren Stränden und rechts im Hintergrund der Indische Ozean.

Unser Guesthouse liegt in einem Stadtteil mit mediterranen Flair und abends sitzen wir in einem tollen Restaurant fünf Gehminuten entfernt. Eh wir uns versehen, haben wir uns ein wenig in diese Stadt verliebt. Sie wirkt ein wenig wie die afrikanische Antwort auf San Francisco. Ergänzend die Ähnlichkeiten mit Hamburg: beide sind die zweigrößte Stadt ihres Landes, haben den größten Hafen, verfügen über Strände, sind Mutlikulti-bunt und verfügen jeweils über einen Tafelberg. Allerdings ist der Hamburger Berg beim Falkensteiner Ufer 1003 Meter niedriger als sein südafrikanisches Pendant, und daher nicht so aufdringlich im Stadtbild.

Ruths Geburtstag begehen wir nach einem genüsslichen Frühstück mit dem Besuch der Innenstadt. Wir lassen uns durch die Stadt treiben, picknicken im schönen Company´s Garden, quasi dem Stadtpark, trinken Kaffee in einem der hippen Cafe´s und besuchen Bo-Kaap, einem alten muslemischem Viertel mit vielen bunten Häusern. Abends gehen wir lecker Fisch essen; wer hat es organisiert? James, of course!


Am Folgetag ist der Tisch gedeckt, genauer gesagt: der Tafelberg hat seine Tischdecke, so nennen es die Einheimischen, wenn der Südostwind die Bergspitze (wie bei vielen anderen Bergen auch) mit einer Wolkendecke verhüllt. Wir fahren am Ostufer zum Kap der Guten Hoffnung und besuchen auf der Hinfahrt die Brillenpinguin-Kolonie bei Simon´s Town. Statt 32 Grad haben wir jetzt 22 und der Wind bläst kräftig. Die Landschaft am Kap erinnert uns mal an die irische Westküste und mal an das norwegische Fjäll. Auf der Rücktour fahren wir die traumhafte Straße an der Westküste bis Hout Bay, wo der starke Wind am Strand unsere Gesichter sandstrahlt. Statt Peeling gibt es Kalamaris als Belohnung.


Im Fischrestaurant sitzen nur Menschen mit weißer Hautfarbe. Auf der Straße davor versuchen zwei schwarze Frauen und drei Männer kleine Tierfiguren aus Holz und Kunstwerke aus Draht und Perlen (Tiere oder handtellergroße Weihnachtsbäume) zu verkaufen. Immer wenn jemand das Restaurant verlässt, kommen sie von der anderen Straßenseite herüber, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Keiner kauft etwas, sondern schnell verschwinden die Restaurantgäste in ihre Range Rover, Mercedes, Porsche oder Toyotas.


Porsche und Wellblech

Nachdem uns drei Tage lang das an Kalifornien erinnernde easy-living begleitet hat, wollen wir auch andere Seiten dieser Stadt kennenlernen und machen in einer Kleingruppe eine Township-Tour; wer hat es organisiert? James, of course!

An den Vororten der südlichen Westküste und in der Innenstadt war der hiesige Reichtum

nicht zu übersehen: Luxusappartements wie in Monaco; auf den Straßen eine große Schar von Fahrzeugen der Marken Jaguar, BMW´s Mercedes, Porsche, Ferraris, Lamborghini und so weiter.

An diesem Vormittag begleitet uns Cornelia, die gebürtige Xhosa ist. Sie kurvt souverän durch den Berufsverkehr zum District-Six-Museum, das sich in einer ehemaligen Kirche befindet.1966 hat die damalige Regierung entschieden, dass die gesamte Innenstadt nur von der weißen Bevölkerung bewohnt werden soll. Daher musste der gesamte Stadtteil mit seiner bunten Bevölkerung, die überwiegend aus Schwarzen und Coloured bestand, umgesiedelt werden. 60.000 Menschen wurden in einem Zeitraum von zwölf Jahren in das neue Township „Langa“ (was Sonne heißt) zwangsumgesiedelt und ihre Gebäude im District Six dem Boden gleichgemacht.

Im Township begleitet uns ein local walking guide. Als erstes suchen wir die Unterkunft seiner Familie auf. Sie leben in einem Häuserblock, einem sogenannten old hostel.

Wir treten von der Straße direkt in einen Waschküchenartigen Raum, in dem eine Frau Wäsche wäscht. Diesen Raum teilen sich zwei Familien. Rechts und links befinden sich je ein Betontisch mit zwei Bänken, die nachts als Bett genutzt werden. Jede Familie hat noch einen kleinen Raum (ca. 8 qm), in dem ein Kühlschrank, ein Tisch mit Fernseher und drei Betten stehen. Während der guide uns über das Leben berichtet, sitzen wir auf dem Bett seiner Großmutter. Das Hab und Gut wird in Koffern oberhalb der Betten gelagert. Privatsphäre gibt es nicht. Für diese Unterkunft zahlt die Familie ca. 1,30 Euro pro Monat. Jeder im township hat Stromanschluss; Stromlieferung erfolgt nach dem prepaid-System. Als nächstes geht es in ein new hostel, dass allerdings nicht gerade neu ist. Hier hat jede Familie einen eigenen Eingang, einen Wasseranschluss und 2,25 Räume. Diese Unterkunft kostet ca. 18 Euro pro Monat.

Im Township baut die Regierung viele Häuser. Neben diesen Unterkünften gibt es die „Informals“. Das sind selbstzusammen gezimmerten Hütten aus Holz und Wellblech, die dem für uns klassischen Bild von townships entsprechen. Zentral gibt es Wasserhähne, wo wir Frauen bei der Wäsche von Kleidungsstücken sehen. Am Rande der Siedlung stehen endlos Toilettenhäuschen. Im Gegensatz zu den bekannten Festivals-Dixi-WC, die sich bekanntlich alle Festivalliebhaber teilen dürfen, sind hier die meisten WC mit Vorhängeschloss gesichert. Jede Familie hat ein Häuschen oder teilt sich diese Dixi-Klo-Variante mit anderen Familien. Wir gehen in eine township-Kneipe, ein sogenanntes „shebeen“. Dort wird ein Metalleimer mit dem aus Maismehl und anderen Zutaten gekochten Bier herumgereicht. Dieses entspricht weder dem deutschen Reinheitsgebot noch meinem Geschmack.

Zurück gehen wir durch ein paar Straßen mit Privathäusern. Überrascht sehen wir einen neuen Jaguar F-Type in einer Einfahrt stehen. Einige Bewohner des Townships verdienen gut, wollen aber nicht ihr Geld für teure Innenstadtwohnungen ausgeben. Außerdem wollen sie in der Nähe ihrer Familie und Freunde leben. Neu ist für uns beide, dass es so unter-schiedliche Wohnunterkünfte in townships gibt von Blechhütte, über die von mehreren Familien geteilte Wohnung ( old hostel), kleine Familienwohnung bis Einfamilienhaus mit Grundstück.

Das Gesundheitssystem ist für die Bevölkerung umsonst. Cornelia berichtet, dass viele aber auch chemist besuchen. Wir besuchen einem, der seine Praxis in einem Container hat. Darin gibt es viele Gegenstände wie Schlangenhäute, Felle, Kräuter, Wodkaflaschen, die mit verschiedenen Ingredienzien gefüllt sind. Der „chemist“ heilt Krankheiten, aber hilft auch bei seelischen Wehleiden wie Liebeskummer oder Geldnot. Während er uns alles erklärt, läuft im Hintergrund das Radio mit gelegentlichen Werbeblocks und gegen Ende klingelt sein Handy. Das sind also die Medizinmänner der Neuzeit. Als er fragt, ob er einem von uns aus der Gruppe bzgl. eines Leidens behandeln soll, sind wir alle uns sicher das wir gerade gesund sind.

Abschließend fährt Cornelia mit uns durch das größte township Kapstadt: Khayelistha mit einer Millionen Einwohnern.

Der Smalltalk mit unseren beiden Gastgebern ist nett, witzig und informativ. Brooke kommt ursprünglich aus Chicago; James ist in Südafrika geboren. Beide haben hier im Tourismusbereich gearbeitet und betreiben seit 12 Jahren ihr liebevoll eingerichtetes guesthouse. Sie fühlen sich hier wohl. Gleichzeitig berichten sie von der Verunsicherung vieler weißer Investoren und Firmeninhaber wegen der politischen Situation.

Dem Reiseführer entnehmen wir, dass 40% der schwarzen Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze lebt. Die Regierung hat Gesetze eingeführt, um die Beteiligung und Beschäftigung der schwarzen Bevölkerung zu förden. Mit „Black Economic Empowerment“ (BEE) werden von Investoren Zwangspartnerschaften verlangt oder Unternehmen sollen schwarze Fachkräfte oder Manager einstellen. Für Großunternehmen ist das oft kein Problem, da sie beliebt sind. Allerdings gehen kleine und mittlere Unternehmen oft bei der Suche leer aus, da die Zahl der qualifzierten Manager aus der schwarzen Bevölkerungsschicht noch gering ist. Die andere Kehrseite der Medaille ist, dass Ingenieure und Ärzte der weißen Bevölkerung verunsichert sind und zum Teil nach Nordamerika, Australien und Großbritannien auswandern. Beachtlich ist, wie die südafrikanische Bevölkerung das Ende der Apartheid gewaltfrei bewältigt hat. Die Wahrheitskommission und Menschen wie Mandela, de Klerk und Bischof Tutu waren offensichtlich Garanten diesen Prozess.

Cornelia, die unsere Townshiptour durchführt, weist daraufhin, dass es inzwischen auch schwarze Bürger gibt, die der Mittel- und Oberschicht angehören. Das Problem ist nicht mehr „Schwarz-Weiß“ sondern das Problem ist „Reich-Arm“ äußert sie. Das war früher auch schon so, da mit den Apartheidsgesetzen die Besitzverhältnisse an der Hautfarbe festgemacht wurde.

Andererseits denke ich, ist es heute noch genauso; ich habe noch von keinem weißen Township gehört und Armut ist immer noch überwiegend farbig in Südafrika.


Wein und Wal

Kurz vor unserer Abreise aus Hamburg sprachen wir beim Straßenfest mit unseren holländisch-südafrikanischen Nachbarn. Sie empfahlen nach Hermanus zum Whalewatching zu fahren und auch bei dem Weingut, das ihre Tochter mit ihrem Mann betreibt vorbei zu schauen. Als wir ankommen, ist ihre Tochter verhindert, aber ihr sehr netter Mann Sebastian und seine Mutter empfangen uns sehr herzlich und wir probieren die verschiedenen Chenin blancs. Leider können wir keine Flaschen für unsere weitere Reise bunkern, aber wir erfahren, wo wir in Hamburg die Weine beziehen können.

Schließlich erreichen wir Hermanus. Die Bucht ist ein Naturschutzgebiet, in dem von Juli bis November Glattwale zum Paaren und Gebären kommen. Die Wale schwimmen teils sehr nah am Ufer. Ein guide paddelt mit uns und anderen aufs Meer hinaus. Von unserem Kajak sehen wir die Wale springen und mit ihren Fluken aufs Wasser schlagen. Der Knall ist deutlich zu hören. Auch später von Land beobachten wir die Tiere.

Teres und Peter, die auch in unserem Guesthouse wohnen und am gleichen Tag wie wir in Hermanus waren, haben von Land aus Fotos gemacht, als wir im Kajak unterwegs waren. Mal wieder sehr nette Schweizer! Meine These, dass alle netten Schweizer aus dem Land fliehen, nachdem die Rechtskonservativen die Wahl gewonnen haben, wollen sie allerdings nicht bestätigen.


Germans are the best, when they sleep!“

Und eigentlich waren wir mit unserem Kapstadt-Bericht fertig; wir wollen nur noch in einem anderen Stadtteil essen gehen. Auf der Hinfahrt fragt uns der Taxifahrer die klassische Frage: „From where are You?“ - „Germany“ - „Which part?“ - „North Germany!“ - „Schwarzwald“ - „No, Hamburg“. Und dann sind wir beide kurz irritiert, ob er es ernst meint, als er sagt, dann könne er uns nicht fahren. Sein Lieblingsverein (Bayern München) hätte Hamburg 9:2 geschlagen. Dunkel erinnerte ich mich, der HSV machte vor zwei Jahren diese Erfahrung. Wir erklären, dass wir das gut fanden, da wir Fans des anderen (einzig wahren) Hamburger Fussballclubs sind. Dann fragt er uns, ob wir „Didi Hallervorden“ kennen? Er sei ein Fan von ihm und er hätte ihn immer als Kind gesehen. Logo, Deutschland ist Exportweltmeister, aber müssen wir wirklich alles exportieren?

Das war quasi die erste Taxi-Halbzeit; nach unsere Essenseinnahme folgt der zweite Teil.

Unser Kellner bestellt uns wunschgemäß ein Taxi. Wir ahnen nicht, dass nun eine 20 minütige Taxifahrt beginnt, die bei youtube sicherlich locker sechsstellige like-it-klicks erhaschen würde. Leider haben wir kein Aufzeichnungsgerät dabei.

Wir sind gerade dabei ins Taxi zu steigen, als ein anderes Paar den Fahrer fragt, ob er sie mitnehmen könne. Der Taxifahrer (schwarzer Anzug, weißes Hemd, unser Alter) fragt uns und die beiden anderen nach den Zielen und sagt, steigt ein. Kurz meint er, dass er noch nie zwei Partien in einer Tour gefahren hat. Wie immer die klassische Frage nach der Herkunft. Sein Kommentar mit lautem Lachen zu unserer Herkunft: Deutsche sind am besten, wenn sie schlafen. Das andere Paar kommt aus Neuseeland. Ich gratuliere ihm per Handschlag, da Neuseeland am Vorabend die Australier im Rugby geschlagen hat und Weltmeister geworden ist. Unser Taxifahrer beginnt am Steuer den Haka zu machen. Dieses ist der Kriegstanz der Maori, den die „All Blacks“ so wird das neuseeländische Team genannt – vor jedem Spiel machen. Dazu gehört u.a. sich auf die Brust hauen, Zunge rausstecken, Augen aufreißen und stampfen, um den Gegner einzuschüchtern. Bis auf das Stampfen beherrscht unser Taxifahrer alles. Wir äußern die These, dass seine Großmutter Neuseeländerin ist. Er kriegt sich kaum ein vor Lachen. Auch in Südafrika ist Rugby sehr beliebt und das neuseeländische Paar und der Taxifahrer ziehen über Australien her. Es werden die witzigsten Sprüche über Aussies ausgetauscht, unser Fahrer klopft sich permanent auf die Schenkel. Dann fragt er uns vier, was wir alles in Kapstadt angeschaut haben. Schließlich wird über Wein philosophiert. Als die Neuseeländer mitbekommen, dass wir im Februar nach Neuseeland kommen, tauschen wir uns aus. Unser Taxifahrer ist immer noch am Johlen; kommentiert und bestätigt alle unsere Aussagen, egal ob es um Weinsorten, Orte oder beste Reisemonate geht („You are right“). Allerdings ist im Eifer des Gefechtes an ihm vorbeigegangen, dass wir nicht mehr über Südafrika sondern über Neuseeland reden. Als wir ihn darauf hinweisen, müssen wir alle fünf kräftig lachen. So geht die Fahrt weiter mit dem Ergebnis, dass er die Neuseeländer vor dem falschen Hotel absetzen will. Folglich muss er ein Stück zurückfahren. Da wenig Quer- und Gegenverkehr ist, haben selbst rote Ampeln für ihn keine Relevanz mehr. Er setzt die Neuseeländer ab, steigt aus, kassiert bei ihnen ab und fährt uns dann zu unserem Hotel, wobei wir ihm den Weg zeigen müssen. Auch bei uns nimmt er den vollen Preis. Selten haben wir soviel in so kurzer Zeit gelacht. Der kulturelle Abend war das Geld wert.

Germans are the best, when they sleep!“