Delta, Salzpfannen, Pfannenstiel, Windhuk

 

Von einen Superlativ zum anderen: Weltgrößtes Binnendelta und Salzpfannen in 6  Stunden                                                                                        26.10.15

 

Von Maun gönnen wir uns mit Livia und Manuel einen Rundflug über das Okavangodelta. Die junge Dame, die uns am australischen Buschflieger begrüßt, ist nicht nur das Empfangskomitee sondern auch unsere Pilotin – geschätztes Alter Anfang 20. Ihr abgewetztes Namensschild am Kopfhörer zeugt beruhigenderweise von Flugerfahrung. In 150 bis 200 Meter Höhe fliegen wir über die trockene Savanneninsel Chief Island nach Norden und auf östlicher Route über einen Flussarm des Okavango zurück. Von oben erahnen wir die Dimensionen des weltgrößten Binnendeltas. Wir sehen das Wegenetz, dass die Nilpferde im Delta gebildet haben, sehen Büffel-, Elefanten- und Antilopenherden aus einer neuen Perspektive. Als wir nach einer Stunde landen, sind unsere Mägen unterschiedlich stark aufgewühlt.


Ruth und ich fahren nun 180 km nach Osten zu den Nxai Pan und zum Makgadikgadi Nationalpark, die Teil der größten Salzpfannen der Welt sind. Die letzten 40 km zum South Gate der Nxai Pan wird der Magen erneut aufgewühlt; dieses Mal bedingt durch ruppige und tiefsandige Wege. Mal wieder empfängt uns ein Elefant am Campingplatz, der mir erstmal den Rückweg vom Sanitärtrakt versperrt. Während er Zweige abrupft 

und zerkaut, schauen wir uns an. Glücklicherweise trennen uns ein paar  allerdings blätterlose – Büsche, in die er kräftig seinen Kopf presst, als ich mich vorsichtig vorbei schleiche. Yes, he´s the boss! Der Park erinnert uns an den namibianischen Etoscha-Park. Kleiner, aber noch natürlicher, da z. B. die Campingplätze in den botswanischen Parks im Gegensatz zu Namibia nicht mit Zäunen geschützt sind.




Am nächsten Morgen beobachten wir drei Geparden, bevor wir zu den berühmten Baines´ Baobabs fahren. 1862 hat der Engländer Thomas Baines diese gemalt, die heute noch genauso so aussehen, wie damals. Baobabs sind bis zu 3000 Jahre alt; da dauert es ein paar Jahrzehnte, bis sich eine neue Hautfalte bildet.


Don´t pay the ferryman, until he get´s you to the other side

Von der Nxai Pan fahren wir in Richtung Makgadikgadi Nationalpark. Unser Camp am Boteti-River wird von einem Botswanaer und einer Deutschen betrieben. Vor knapp zwei Jahren ist sie als Teilhaberin in der Lodge miteingestiegen.

Sie bewältigt gut gelaunt die alltäglichen Schwierigkeiten wie ungelerntes Personal immer wieder neu anzuleiten, Zusammenbruch der Trinkwasserversorgung (ergo: Flusswasser für Duschen und WC in den Tank pumpen und Trinkwasser im Supermarkt in 140 km Entfernung für Kaffee und Tee kaufen), Stromausfälle (ergo: Stromaggregat für die Kühlschränke anschmeißen), unzuverlässiges Internet (ergo: abwarten).

Bemerkenswert wie manche Menschen auch in schwierigen Situationen das Beste daraus machen.

Der Boteti trennt den Makgadikgadi Nationalpark von unserer Seite des Flussufers, das bewohnt ist. Die meisten Dorfbewohner betrieben Landwirtschaft. Um in den gegenüberliegenden Nationalpark zu gelangen, müssen wir den hundert Meter breiten Fluss mit einer Pontonfähre überqueren. Nach jahrelanger Trockenheit fließt aus unerklärlichen Gründen seit 2009  wieder Wasser aus dem Okavango in den Boteti. Als Ursache werden tektonische Verschiebungen vermutete. Genau weiß das keiner.

 

Als Skandinavienfahrer sind uns Fährpassagen bestens vertraut. Diese Überfahrt ist anders. Die Pontonfähre liegt am Strand. Über zwei Rampen jongliere ich das Fahrzeug auf den Ponton und muss bis zum vorderen Ende fahren, damit das Heck sich von der Sandbank abhebt. Dann setzt der Fährmann sich in eine der beiden seitlich angeschweißten Gitterboxen, deren Boden unterhalb der Wasserlinie liegt, damit die Schraube seines kleinen 15 PS Suzuki-Außenborder ins Wasser reicht. Seine Gummistiefel sind 10 cm im Wasser. Er schmeißt den Motor an und kurz nach dem Ablegen fordert er mich auf, dass ich mit unserem Wagen rückwärts bis zum Heck fahre, damit der Bug beim Anlanden nicht zu früh aufsetzt. Dass wir durch Bewegung unseres Autos für das Gleichgewicht und die Manövrierbarkeit der Fähre sorgen, würde  der Germanische Lloyd  –  also der deutsche Schiffs-TÜV   wohl schwerlich akzeptieren.

 

Im Nationlpark fahren wir am grünen Wiesen- und Sandufer des Boteti mitten durch riesige Zebra- und Gnu-Herden hindurch. Elefanten, Strauße und Giraffen säumen den Weg. In der kargen Umgebung bildet der mäandernde Fluss mit seinen feuchten Auen eine Oase für Mensch und Tier.

Eigentlich trennt ein Zaun im Fluss den Nationalpark vom gegenüberliegenden Flussufer. Doch nachlässige Pflege hat ihn durchlässig gemacht. So sehen wir wie ein Elefant einer Kuh klarmacht, dass das sein Revier ist. Schließlich wird der Sand so tief, dass wir nur noch mit der Differentialsperre ein Steckenbleiben verhindern. Mühsam aber erfolgreich kämpft sich unser Wagen die stark sandige Uferböschung hoch. Zurück geht es mit der bewährten Fähre.


Feuer am Pfannenstiel

Zur nächsten Station fahren wir 500 km bis zum Pfannenstiel des Okavangos. Der Pfannenstiel ist der Flussteil des Okavango bevor er das Delta bildet. Abends sehen wir einzelne Rauchschwaden am gegenüberliegenden Flussufer. Mit Einbruch der Dunkelheit sehen wir Flammen und hören wie das Feuer Paphyrus und Schilfgras auffrisst. Glücklicherweise weht nur ein leichter Wind parallel zum Flussufer. Die Lodgeangestellten meinen, dass Fischer das Feuer gelegt haben, um besser an den Fluss zu kommen und Krokodile und Flusspferde besser vom Ufer sehen zu können. Im Laufe der Nacht weitet sich das Feuer aus. Mal ist es laut, dann leise, mal sehen wir starke, dann schwache Flammen. Wir schlafen unruhig und versuchen aus dem Dachzelt die Entwicklung zu beobachten. Doch der Schilfgrasgürtel vor unserem Zeltplatz behindert die Sicht. Am nächsten Morgen stellen wir fest, dass das Feuer das anderen Flussufer vollständig abgebrannt hat und 200 m von unserem Standort entfernt gestoppt hat. Der 50 m breite Fluss hat das Überspringen auf unser Ufer verhindert. Die Lodgebesitzerin berichtet, dass die Feuerfront 15 km lang sei. Feuer kommen immer wieder vor, aber selten so groß. Eine Biegung des Flusses verhindert, dass das Feuer sich noch weiter nach Norden ausbreitet. Den ganzen Tag sehen wir die Rauchfahnen von unsererem Campingplatz, während Grünmeerkatzen um uns rumtoben. Einer meint, sich auf unseren Kühlschrank setzen zu müssen. Da fauchen Ruth und er sich an. Er gibt schnell klein bei, was ich ihm auch nur wärmstens empfehlen kann.


Selbstbewusstsein – dank fehlender Kolonialzeit?

Manche Reisenden erleben die Botswaner als arrogant. Unser Eindruck ist, dass sie selbstbewusst sind. Wir haben sie eher eine Nuance freundlicher und aktiver in der Kommunikation erlebt als die Namibianer. Es gibt mehr schwarze Geschäftsleute als in Namibia, wo Deutschstämmige und Südafrikaner häufig noch federführend sind.

Botswana war nie richtig Kolonie sondern unterstand dem britischen Protektorat. Die Stammesführer (chief´s) kooperierten elegant mit den Briten, auch um nicht unter die „Obhut“ der Buren zu fallen. Als Anfang des 20. Jahrhunderts bekannt wurde, dass die britische Regierung den Anschluss Botswana an die Union Südafrika erörterte, bildeten die Tswana-Völker den multi-ethische Zusammenschluss “People´s Delegation“, um nicht unter das Apartheidssystem zu fallen. 1910 schickten sie eine Delegation nach London, die dort öffentlichkeitswirksam und erfolgreich für ihr Anliegen warb. 1966 zogen sich die Briten entgültig zurück und nächstes Jahr feiert Botswana seine 50jährige Unabhängigkeit.

Unser Eindruck ist, dass die Narben der Apartheid in Namibia und Südafrika in unterschiedlicher Stärke im Alltag noch auftauchen, während in Botswana das Neben- oder Miteinander von weißer und schwarzer Bevölkerung selbstverständlicher und gleichberechtigter wirkt. 95 % der botswanischen Bürger gehören zu den Tswana-Völkern. Farbige, Weiße und Inder machen nur 2,5 % aus. Es gab in Botswana nie eine weiße politisch und wirtschaftlich bestimmende Gruppe wie es Buren, Deutsche und Briten in den anderen beiden Ländern waren.

Im Gegensatz zu Botswana liegt die wirtschaftliche Macht in Namibia immer noch zu einem Großteil in weißen Händen. U.a.resultiert daraus eine soziale Schieflage und in der Folge eine Unzufriedenheit in Teilen der schwarzen Bevölkerung. Und wie überall in der Welt erhöht das die Gefahr von kriminellen Handlungen. Ein namibianischer Farmer erzählt uns, dass er immer eine geladene Waffe bei sich hat, um sich und seinen Besitz zu verteidigen. Ohne Bedenken würde er – so wie wir es aus den USA kennen – auf Eindringlinge schießen. Solche Gespräche stimmen uns sehr nachdenklich.


Unsere sieben Wochen erlauben nur ganz kleine, regional beschränkte Einblicke aus der Sicht von Touristen. In dieser Zeit nehmen wir Unterschiede zwischen Botswana und Namibia wahr, ohne dass sie allgemeingültig sind.

Botswana hat durch die Diamantenvorkommen und den Tourismus mehr Einnahmen als Namibia. Davon profitiert die Bevölkerung z. B. durch ein kostenloses Gesundheits- und Schulsystem. Vielleicht folgt daher, dass wir im Gegensatz zu Namibia nicht erleben, dass uns das Bewachen des Autos vorm Supermarkt gegen Zahlung eines Opulus angeboten wird oder das progressive Verkaufsversuche unternommen werden. Das eigentümliche Bitten um Geldspenden auf offener Straße zur Unterstützung von Museen und Sportvereinen erleben wir in Botswana nicht.

Während in Namibia der Supermarkteinkauf meist von Angestellten in einem Meer von Plastiktüten verstaut wird, wird man in Botswana gefragt, ob man eine Plastiktüte will, die man dann wie bei uns zuhause bezahlen muss. Wahrscheinlich sehen wir daher in den botswanischen Dörfern kaum Plastikmüll herumfliegen, während dieser uns nach dem Grenzübertritt nach Namibia wieder ins Auge sticht. Gleichwohl gibt es in Namibia auch Städte wie Grootfontein, Omaruru und Tsumeb die sauber und aufgeräumt sind.

Toyota ist der afrikanische Volkswagen, egal ob Kleinwagen, Offroader oder Kleinlaster; sowohl in Botswana als auch in Nambia. Ergänzt wird das Stadtbild in den botswanischen Städten durch ein kleines Heer von 3er BMW´s, während neben neuen Mercedes-Modellen die VW-Busse (T3) und alte Golf 1 in Namibia nicht vom Aussterben bedroht zu sein scheinen.


Walk on, walk on with hope in your heart

Auf den langen Fahrstrecken zurück nach Windhuk lassen wir den Urlaub langsam Revue passieren. Beide Länder gefallen uns. Namibia glänzt mit kargen, bergigen und farbintensiven Landschaften, Weite und Einsamkeit. Die Savannen und Trockenflusstäler im Nordwesten waren Highlights für uns. Die Etoscha-Pfanne, der Tourismusmagnet Nummer 1 von Namibia , ist in unserem Ranking ein paar Plätze zurückgerutscht. Schuld daran sind unsere Erfahrungen im namibianischen Caprivizipfel und in den Nationalparks Botswanas. Während im Etoscha-Park die Tierbeobachtung überwiegend an künstlichen Wasserstellen erfolgen, sehen wir sowohl im Caprivi als auch in Botswana diese meist in natürlichen Flusslandschaften.

Ein weiterer Punkt ist, dass es im Etoscha-Park vier große Orte mit Restaurant, Tankstelle, Unterkünften und Campingplätzen gibt, die umzäunt sind. Es ist wie im Zoo, nur andersrum: nachts werden die Touristen im Gehege eingeschlossen. Durch die Zäune können sie dann abends Antilopen, Nasshörner, Elefanten und Löwen an mit Flutlicht-beleuchteten künstlichen Wasserlöchern betrachten. Zum Sonnenaufgang werden die Tore geöffnet und wir Touristen dürfen wieder in den Park hinausströmen, um weitere Wasserlöcher zu besuchen.

Im Caprivi und in Botswana gab es keine Zäune auf den Campingplätzen. Lediglich der Sanitärtrakt wurde auf zwei Plätzen mit Betonwällen und Elektrozaun vor den Attacken der Elefanten geschützt. Fehlende Abgrenzung ermöglichte uns die Begegnung mit Elefanten am Zelt; wir sahen Flusspferde, Büffel und Antilopen nahe bei uns. Hyänen liefen um unseren Wagen herum, sobald wir im Dachzelt lagen. Andere Nachbarn sahen einen Löwen über den Campingplatz gehen. Wir waren mitten drin im wildlife.

Was einerseits eine tolle Erfahrung, aber andererseits aufregend ist. Dadurch bewegten wir uns respektvoll und vorsichtig in dieser Umgebung. Der Schein unseres Lagerfeuers am Abend erzeugte eine kleine Schutzzone, die die Tiere akzeptieren. Schnell war es für uns eine Selbstverständlichkeit unter diesen Bedingungen zu kochen, essen und zu schlafen. 

Diese intensive Naturerfahrung kann der Etoscha-Nationalpark nicht bieten.


Auf unserem Trip kommen wir mit vielen Menschen ins Gespräch, sowohl Einheimischen als auch Reisenden. Über diverse Begegnungen haben wir bereits in unserem Blog berichtet. Unerwähnt waren bisher die vielen kleinen Gespräche an Tankstellen, Geschäften und auf der Straße. „From where are you“ fragt sowohl die einheimische Bevölkerung als auch andere Traveller. Tankstellenwärter reden dann oft über Fussball und fragen nach unserem Lieblingsverein. Wir berichten ihnen dann von dem einzig wahren Hamburger Club, der ihnen bedauerlicherweise noch nicht bekannt ist. Anders bei europäischen Travellern, denen der FC St. Pauli auch wegen seiner besonderen Fankultur bekannt ist. Dieses erleben wir bei einem Iren als auch bei Schweizern. Apropro Schweizer. Was ist da los, Stefan? Wir treffen kaum Deutsche, aber permanent Schweizer. Die Hälfte der Bevölkerung scheint aktuell außer Landes zu sein. Nett war auch, als ein Kellner in einer kleinen Lodge einem berichtet, dass Arsenal am Vorabend Bayern München geschlagen hat und dann mit Stolz sagt, er sei Dortmundfan.

Und dann gibt es natürlich noch die anstrengenden Reiseprofis, die scheinbar jeden Quadratmeter unseres Planeten schon zweimal betreten haben und ungefragt Tipps ohne Ende geben. Oder die zwei bayrischen Motorradfahrer, die obwohl sie die ganze Zeit direkt nebeneinander stehen, sich dermaßen laut bellend austauschen, dass jeder auf dem Campingplatz sie hören muss. Glücklicherweise verhindert ihr starker Dialekt, dass wir nicht alles verstehen außer einzelnen Wortfetzen wie „krass“ oder „brutal“. Als einer abends an der Bar einen deutschstämmigen Namibianer fragt, wie es so ist, in Windhuk aufzuwachsen, verkneife ich mir ein „nicht so schlimm wie in Bayern!"

 

Nach 7479 km, 913 Litern Diesel, 46 Tagen on the road, 39 Nächten im Dachzelt, 3 Gläsern Nescafe, 4 Flaschen Wein, einer unbekannten Zahl von Lemon-, Tonic- und Bierdosen, 1 Spraydose Mückenschutz, 3 Packungen Knäckebrot sind wir in Windhuk angekommen.

Gespannt sind wir, wie wir die folgenden kulturellen Wechsel erleben und verdauen werden.

Der multikulti Metropole Kapstadt fiebern wir bereits entgegen. Den Thailandurlaub mit einer Woche in einer Strandhütte zu beginnen, ist sicherlich ein guter Einstieg in das kulturell und kulinarisch attraktive Südostasien.

Die intensiven Tierbeobachtungen und – begegnungen werden wir sicherlich auf der weiteren Reise vermissen. Genauso wie unsere afrikanische Gutenacht-Musik:

Das Quaken der Frösche, dazu das Grunzen der Flusspferde, das Zweigeabreizen der Elefanten, das Jaulen der Hyänen und das Brüllen des Löwens im Hintergrund.