Das Ende der Welt ist grandios! 

 

Nach den Catlins fahren wir nach Dunedin, wo wir nochmals Wibke und Glen besuchen. Wibke hat lange auf einem Weingut gearbeitet und ist jetzt noch für dieses aktiv. So haben wir das glückliche Vergnügen auf ihrer Terrasse bei Sonnenuntergang ein privates Weintasting zu genießen. Bisher war ich bei Pinot Noir sehr verhalten, doch die beiden bringen mich auf den

Geschmack. Wir werden noch einige Pinot Noir auf unseren weiteren Reise probieren.

Es zieht uns nach Glenorchy. Auf dem Weg müssen wir durch Queenstown, der selbsternannten Abenteuer-Welthauptstadt. Hier wurden das Bungeejumping und das Jetboat (mit hoher Geschwindigkeit düsen Speed-Boote durch enge Schluchten) erfunden. Skydiving (hieß früher mal Fallschirm-springen), Paragliding, Rafting und Jetski werden angeboten. Alles, was den Adrenalinspiegel kräftig anhebt. Auf dem See stampft ein uraltes Dampfboot vorbei; ein skurril anachronistischer Anblick.

Wir schleichen im zähfließenden Verkehr durch die Stadt und machen kurz halt an einem Geldautomaten. Vor einem Kleinbus einer Firma, die Skydiving anbietet, stehen acht asiatische und westliche Touristen Schlange. Auf dem Bürgersteig steht eine einfache analoge Personenwaage und jeder muss bevor er den Bus entert, in aller Öffentlichkeit draufsteigen. Privatsphäre gibt es hier nicht. 

Für zwei Tage sind wir in Kinloch, es liegt nur zwei Kilometer gegenüber von Glenorchy am anderen Ufer des Lake Wakapitu, doch wir müssen 27 km um den See über eine Schotterstraße fahren. Wir passieren breite Alpenflüsse. Kein Wunder, dass viele Szenen der Herr der Ringe Trilogie in dieser Bergwelt gedreht wurden. Der Ausblick von dem Hostel ist beeindruckend. Wir wandern bei Regen durch den Regenwald auf den ersten Kilometern des weltbekannten Routebourn Track. Farne, Wasserfälle und Hängebrücken säumen unseren Weg. 

Am Folgetag geht es zur Westküste. Wir übernachten auf halber Strecke am Lake Hawea. Als wir draußen essen, ge-sellt sich ein Paar zu uns. Sie kommt aus Österreich und er aus Neuseeland. Sie wohnen beide in Bern. Wir unter-halten uns über die Sozialsysteme und weitere Unterschiede zwischen Neuseeland und der Schweiz. Krankenversicherungen, wie wir sie kennen, gibt es in Neuseeland nicht; den Arzt-

besuch bezahlt man selber. Krankenhausaufenthalte und teurere Medikamente und Untersuchungen werden vom Staat übernommen. Der Kiwi meint, die Schweiz sei sicherer als Neuseeland, außerdem sehr zuverlässig und konstant. Schon jetzt könne man sagen, wie es in zwölf Jahren sein wird: unverändert. Ich frage, ob das nicht langweilig sei und er grinst ein wenig.

Die Westküste ist ein regenreiches Gebiet, doch wir haben in den nächsten drei Tagen Sonne. Lediglich im Tal beim Fox Glacier kommt es zu einer kurzen heftigen Regenschauer. Schnell schwellen die kleinen Flussläufe an und einigen Touristen haben auf dem Rückweg plötzlich eine nasse Barriere zwischen sich und dem Parkplatz. Bei gutem Wetter kann man die Gletscher und Berge vom Strand aussehen, da sie lediglich 10-20 Km von der Küste entfernt liegen. Auf einer Tafel sind Bilder vom Gletscher aus 2007 und 2011 zusehen. So können wir mit Blick auf den Gletscher sehen, wie schnell sich der Gletscher in dieser Zeit zurückgezogen hat. Erschreckend wie deutlich die Auswirkungen des Klimawandels selbst an diesem abgelegenen Ende der Welt zu sehen sind.


Die härteste Nacht unserer Reise 

 

Unser Ziel ist der Abel Tasman Nationalpark, wo wir eine zweitägige Kajaktour bei Sonnenschein machen. Da der Nordteil nur mit Kajakguide befahren werden darf, sind wir am ersten Tag mit Josh und sechs anderen Touristen unterwegs. Ein Wassertaxi bringt uns in den Norden des Parks und gemütlich paddeln wir an einigen Seehunden vorbei südwärts. Wir besuchen zwei Lagunen. Auf der Wasseroberfläche treiben Äpfel und Äste. Josh erzählt, dass es vor einer Woche nachts heftig geregnet hat. 35 cm in wenigen Stunden, Straßen und Gärten waren überflutet und Fallobst und Äste wurden ins Meer gespült. Er selbst ist mit seinem Kajak durch die Gärten seiner Nachbarschaft gefahren. In Bark Bay werden unsere Reisegenossen inklusive der Kajaks aufs Wassertaxi verfrachet, während wir unser Zelt aufbauen. Der Campingplatz im Nationalpark hat eine Toilette mit Wasserspülung, einen Unterstand und einen Trinkwasserhahn. Beachtlich, was den Outdoortouristen zur Verfügung gestellt wird. Die Nacht wird hart, im wahrsten Sinne des Wortes. Zum gemieteten vollständigen Campingequipment gehören auch zwei Isomatten. Jede 1cm dick und an Schlaf ohne Druckstellen ist nicht zu denken. Kurz nach Sonnenaufgang brechen wir auf und ziehen alleine unsere Bahn nach Süden. Zwischendrin frischt der Wind auf, weht von vorne und Wellen bauen sich auf. Doch als Elbpaddler ist uns das vertraut. Unterwegs gönnen wir uns eine Pause an einem einsamen Strand; Robinson läßt grüßen. 

Wir besuchen noch einige Inseln und ihre Seehunde, bevor wir in Marahau anlanden.


Tagsdrauf fahren wir über den kurvenintensiven 900 Meter hohen Takaka Hill in die Golden Bay. Unser Ziel ist der Wharariki Beach, in den wir uns bereits 2003 verliebt haben. In den Wellen spielen junge Seehunde. Wir stehen knietief  im Wasser, doch die Brandung ist deftig und schnell ist die komplette Hose nass. Egal, denn zwei Seehunde schauen mich mit großen Augen an und schwimmen einmal um mich rum. 


VW-Käfer, Fischsuppe und Mr. Trump

 

In Takaka ziehen wir für zwei Nächte in das Hostel von Tina und Craig ein. Wir brauchen mal wieder eine Pause vom Reisen zum Planen und Organisieren.

Vor der Tür steht Tinas 47-jähriger himmelblauer VW-Käfer. Ihre Tochter wollte ihn als sie den Führerschein gemacht hat, nicht haben. Sie wollte einen japanischen Wagen, doch nun ist sie auf Muttis Kultauto scharf. Zu spät, den gibt Tina nicht mehr her. Tina ist eine tolle Gastgeberin. Sie stellt alle Gäste einander vor. In der Küche ist eine bunte Schiefertafel, auf der alle Gäste aufgeführt sind. Abends schleppt sie einen großen Topf mit seafood chowder, einer cremigen Suppe mit Lachs, Muscheln und anderen Zutaten, in die Küche. Sie hat sie erstmalig gekocht und sich bei der Menge der Zutaten verkalkuliert und so lernt das ganze Hostel, ihre Kochkünste zu schätzen.

Wir sitzen mit einem Paar aus San Francisco am Tisch. Beide sind Mitte Zwanzig und ebenso wie wir schon länger unterwegs, u.a. auch durch Südostasien wie wir gereist. Vor fünf Jahren war sie als Aupair für ein halbes Jahr in Blankenese. Sie hat bei einer holländischen Familie in einer großen weißen Villa gewohnt. Die Kinder gingen auf die Internationale Schule; auch zuhause wurde Englisch gesprochen. Die Eltern haben bewusst,

ein Aupair aus den USA gesucht, damit ihre Kinder noch weiter ihr Englisch vertiefen. Scheint die optimale Vorbereitung für eine internationale 

Karriere zu sein. Wie gut die Kinder ihre Muttersprache später noch beherrschen, steht auf einem anderen Blatt.

Für US-amerikanische Bürger ist dieses Jahr kein leichtes Reisejahr, da sie immer wieder wegen des amerikanischen Wahlkampfs und insbesondere der republikanischen Kandidaten angesprochen werden. Auch wir sprechen darüber und auch die Waffengesetze sind Thema. Beide meinen, dass es nichts bringen würde, wenn man die Waffen verbieten würde, da es zu viele illegale Waffen in der USA geben würde. Auch ihr Vater habe eine Waffe, damit er im Notfall seine Familie verteidigen kann, ergänzt sie. Wie beruhigend, dass wir immer 

schon schärfere Waffengesetze in Europa haben.

Schließlich reisen wir über Nelson, wo wir eine Weinverkostung im Weingut Neudorf machen und drei Flaschen Weißwein erwerben, die wir im Camperkeller einlagern, weiter. Obwohl sie lecker schmecken, würde der Export sich nicht lohnen. Für 12-15 Flaschen müssten wir 160 Euro zahlen; allerdings nur Porto; also ohne Flascheninhalt!!! Teures Altglas!

 


Das kleine Paradies am Ende der Straße

 

Kurven, Kurven, Kurven, erst noch asphaltiert, schließlich nur noch Schotterpiste. 60 Kilometer in 2,5 Stunden. Wofür? Für Hopewell, ein Hostel, das seit Jahren als eins der besten Neuseelands gilt. Die Besitzer Lynley und Mike sind mit ihrer Crew der Hammer. Mit Kaffee und Tee werden wir von Cathi empfangen; sie kommt aus Seattle und ist eine Freundin des

Hauses. Gemütlich klönen wir eine gute halbe Stunde über Reiseziele, die Situation von Flüchtlingen und mal wieder über den amerikanischen Wahlkampf, bevor uns die Unterkunft gezeigt wird. Zwischendrin reicht Lynley uns Kekse, die sie gerade aus dem Backofen geholt hat.  

Die Marlborough Sounds sind für ihre green shell mussels bekannt. Mit Mike und seinem Boot fahren wir nachmittags zu einer Muschelfarm. Während er zwei Eimer Muscheln erntet, erfahren wir viel über die Muschelzucht. Zwei Jahre reifen die Muscheln an vier Metern tief reichenden Tauen, die in Schleifen an hundert Meter langen Trossen, die von Bojen getragen werden, hängen. An einer einzigen dieser Trosse hängen bis zu 15 Tonnen Muscheln.

Zwei Stunden später sind alle 20 Gäste am großen mit Zeitungspapier bedeckten Holztisch versammelt. Mike schmeißt den Gasbrenner an und kippt acht Minuten später die grünen Muscheln in mehreren Haufen auf den Tisch. Dazu gibt es ebenfalls selbstgebackenes Brot und Dips.

Wir sprechen mit Heather aus Hongkong. Sie ist 1995 von England dorthin gezogen. Drei Gründe nennt sie: erstens ist die Bezahlung als Lehrerin dort bedeutend besser; zweitens überzeugt auch das Wetter und drittens die dortigen Wandermöglichkeiten. Wie bitte? In den Hügeln um Hongkong gibt es viele Wanderwege, auf denen sie weniger Menschen antreffe, als in ihrer alten Heimat dem Lake District, schildert Heather. Inzwischen entdecken die

Chinesen aber auch die Freude am Trekking und Mountainbiking.

Am Folgetag fahren wir sechs Stunden mit dem Postboot durch den Pelorus Sound, der insgesamt 50 Km lang ist. 200 Familien wohnen in den Sounds und sind nur auf dem Wasserwege zu erreichen. Mit drei verschiedenen Touren

werden alle einmal pro Woche vom Skipper Jim und seiner Assistentin versorgt. Die beiden erzählen viel über die Menschen und deren Leben in den Sounds. So erfahren wir, dass eine Frau jahrelang Possums gejagt hat und 

mit deren Fellen ein ordentliches Vermögen erlangt hat. Oder von der Fernbeziehung eines alten Paares. Der Mann lebt in seiner Hütte in den Sounds, während seine Frau in der Stadt Picton im Altersheim lebt. Einmal im Jahr fährt er sie besuchen, ist aber immer wieder froh, wenn er nach dem kurzen Besuch Zuhause ist. Zwischendrin schnacken Jim und seine Assistentin mit ihren Fahrgästen. Von den Bewohnern werden sie erwartet, denn es

wandern nicht nur Postsäcke und Pakete zwischen Steg und Schiff hin und her, sondern auch Neuigkeiten und Scherze. Am meisten freuen sich allerdings die Hunde auf Jim und seine Assistentin, denn sie haben immer Hunde-Biskuits dabei. Hier tickt die Uhr noch im entschleunigten Tempo. 

Unser Unterkunft liegt in einem Seitenarm des Pelorus Sound und so wartet Mike mit seinem Boot auf uns. Das Postboot hält an und wir wechseln auf dem Wasser auf Mikes Boot. Fünf Minuten später sehen wir viele Möwen und Komorane. Das ist ein Fischschwarm, meint Mike, greift unter Deck und holt eine Angel hervor. Zwei Minuten später hat der erste Fisch angebissen, allerdings reizt er sich los, als wir ihn hochziehen. Beim erneuten Versuch

zuckt die Angelrute nach nicht mal einer Minute und gemeinsam ziehen wir einen 35 cm langen Kawahei an Bord. Hier, das ist euer Abendbrot, war Mikes Kommentar.

Dieser Ort ist so entspannend, dass selbst die Festplatte meines Notebooks für immer in den Tiefschlaf fällt, was uns das Verwalten der Fotos und das Schreiben des Blogs erheblich erschwert.

Nach drei Tagen verlassen wir Hopewell und haben nicht das Gefühl, dass wir ein Hostel verlassen, sondern liebgewonnene Menschen, bei denen wir zu Besuch waren.


Früher war nicht nur die Zukunft besser, sondern auch der Wein

 

Wir durchfahren das Weinanbaugebiet Marlborough. Neuseeländischer Wein wurde lange Zeit nicht in der Welt wahr- und ernstgenommen, bis bei einer Blindverkostung mit namhaften Experten Anfang der neunziger Jahre der

Sauvignon blanc vom Weingut Cloudy Bay den Vogel abschoss und alle anderen Weine in den Schatten stellte. Als wir 2003 in Neuseeland waren, haben wir einen 6er Karton Cloudy bay im Handgepäck (damals ging das noch, allerdings nach einer kurzen Diskussion beim Check-in) mitgenommen und er war die Mühe wert. Nun testen wir den aktuellen Jahrgang. Der Duft sagt noch zu, aber der Wein schmeckt nur sauer, enttäuschend.

Mike hatte uns vorallem wegen des guten Essens das weniger bekannte Weingut Rockferry empfohlen. Hier gibt es Biowein, dessen Trauben von Hand geerntet werden und das Bioessen schmeckt klasse. Der fachkundige Angestellter, dessen

unbestrittene Liebe zu den kulinarischen Genüssen des Lebens seine Körperfülle bezeugt, nimmt sich reichlich Zeit und leitet uns durch das Programm, um uns durch die Vielfalt der Weine zu leiten. Weissburgunder und Tempranillo sind Besonderheiten. Ich erzähle ihm von unserem enttäuschenden Besuch bei Cloudy Bay. Er schwärmt von deren 94er Chardonnay. Das Problem sei, dass die weltweite Nachfrage das Angebot von Cloudy Bay weit

übersteigen würde. Inzwischen kauft das Weingut Trauben von anderen Weingütern, um die Nachfrage zu befriedigen. Kein Wunder, dass die Qualität darunter leidet.


Eine Nacht campen wir in Christchurch um unseren Sleepervan gegen einen Campervan zu tauschen. Morgens früh schaukelt der Wagen zweimal für zehn Sekunden, als wolle uns jemand in den Schlaf schaukeln. Christchurch

kommt wohl nie zu Ruhe. Mit dem Fahrzeugwechsel verabschieden wir uns vom Kochen im Kofferraum, denn im Camper können wir drinnen kochen und sitzen; 

und was der Hammer für mich ist, ich kann drin stehen! Absoluter Luxus.

 

Durch mal wieder beeindruckende Berglandschaften fahren wir über den Arthur Pass nach Nordwesten. Auf der Ostseite sind die Berghänge trocken und mit beigen Gräsern bedeckt, während ein paar Kilometer westlich üppige, grüne Regenwälder die Bergflanken und Täler überziehen.

Ruth zieht es in eine Bucht in den Marlborough Sounds, in der Stachelrochen am Ufer entlang schwimmen sollen. Und wir haben Glück, in großen Kreisen ziehen die bis zu 1,20 m breiten Wasserflieger ihre Bahnen.


Goodbye South Island

 

Nach sieben Wochen nehmen wir die Fähre über die Cook Strait nach Wellington. Neuseeland mit seinen vielfältigen Landschaften und seinen sehr gastfreundlichen und entspannten Bürgern hat uns verzaubert. Einen  

Angestellten von unserer Autovermietung, der ursprünglich Deutschland nur für ein Jahr verlassen wollte, um in Neuseeland zu arbeiten und nun schon über drei Jahre hier lebt, fragen wir nach dem Unterschied zwischen Deutschland und Neuseeland. Seine Antwort bringt es auf den Punkt: Der Lebensstandard ist in Deutschland höher, die Lebensqualität in Neuseeland!

 

Wären wir Buddhisten und dürften mitentscheiden, in welchem Land wir im nächsten Leben als Mensch wiedergeboren werden, unser Votum wäre eindeutig: Neuseeland!